Basiswörter, die sich – anscheinend – nicht gendern lassen
Neben den vielen Nomina agentis, von denen sehr viele auf -er enden, gibt es Grundbegriffe, die bisher als nicht genderbar gelten. Dazu gehören beispielsweise:
die Geisel – das Opfer – die Leiche – die Koryphäe – das Genie – das (menschliche) Wesen. Vermutlich sind es noch ein paar mehr, allzu viele aber nicht.
Achtung: Es geht hier nur um explizit auf Personen angewendete Begriffe; nicht um solche, die nur auf Menschen übertragen werden, wie z. B. das Fußballtalent (Talent ist keine Person), die Bürokraft (Kraft ist kein Mensch), die Sportskanone (Kanone ist kein menschliches Wesen) etc..
„Mensch“ und „Person“ gehören auch dazu; diese zu gendern, wäre zwar theoretisch gut möglich (Menschin – Menschun – Menschan; Personin – Personun – Personan), aber inhaltlich eher unnötig, denn hier sollen ja gerade alle menschlichen Wesen/Personen gemeint sein.
Aber was die anderen genannten Oberbegriffe betrifft, wäre es auf jeden Fall möglich und sinnvoll.
Der Grund, warum es bisher nicht so gehandhabt wird, dürfte übrigens wieder die verflixte – aber verständliche – Gleichsetzung von Genus und Sexus sein: Abgesehen von „Mensch“ haben all diese Wörter nämlich den Artikel „die“ oder „das“. Eine Movierung erscheint daher offenbar unnötig, da ja schon die Wörter „nicht männlich“ sind!
Auch hier würde meines Erachtens der neutrale Artikel „das“ helfen, die Begriffe richtig einzuordnen, nämlich als für alle Geschlechter gültige Grundbegriffe. Und dann wird das Gendern einfach und stimmig:
das Geisel – die Geiselin – der Geiselun – das Geiselan
das Opfer – die Opferin – der Opferun – das Opferan
das Leiche – die Leichin – der Leichun – das Leichan
das Koryphäe – die Koryphäin (spricht sich nicht so schwierig, wie men denken könnte!) – der Koryphäun – das Koryphäan
Kommen wir nun noch zu einer anderen Wortkategorie, bei der es zumindest mit der nonbinären Form etwas schwierig wird oder scheint: die substantivierten Adjektive.
Na, wo liegt denn der Kranke? Die Kranke? Das Kranke?
Maskuline und feminine Anrede sind hier gebräuchlich, allerdings bisher ohne Änderung der Form: der Kranke – die Kranke (also binär); der Böse – die Böse; der Gute – die Gute.
Und scheinbar gibt es bei einer neutralen Form ein Hindernis, weil sich bei letzterer die Bedeutung ändert:
Das Kranke, das Böse, das Gute sind ja (auch) abstrakte Begriffe, die für sich stehen. Da könnten doch Verwechslungen passieren!
Richtig, aber kontextgebunden dürften echte Missverständnisse doch nur selten sein. Und wenn es tatsächlich zweideutig ist, muss eben mal ergänzt werden:
Wo ist denn das kranke Kind?
Möglich wäre aber durchaus auch die Frage: Wo ist denn das Kranke? Denn ganz sicher war vorher schon die Rede davon, und die Szene spielt im Krankenhaus oder in der Nähe des Krankenbettes.
Ach, du bist meine Gute! Mein Guter! Mein Gutes! (Hier wäre nicht mal die Doppeldeutigkeit störend.)
Er ist in diesem Spiel der Böse – sie ist die Böse – es ist das Böse. Auch hier ist es absolut verständlich, eine gewisse Doppeldeutigkeit kaum sinnentstellend.
Es wäre sogar möglich, diese Begriffe mit Movierungen zu gendern, um im System zu bleiben und eine nonbinäre Form zu bekommen. Dann hätten wir:
das Kranke (Grundform) – der Krankun – die Krankin – das Krankan
das Gute – der Gutun – die Gutin – das Gutan
das Böse- der Bösun – die Bösin – das Bösan
Hier muten die Genderformen ziemlich ungewohnt an – zwingend logisch sind sie allerdings.
Wer sich durch diese Ausführungen jetzt etwas verwirrt fühlt und die ganze Sache doch für recht kompliziert hält, möge bedenken, dass – wie bereits an anderer Stelle erwähnt – die Movierungen nur ziemlich selten gebraucht werden! Denn meistens geht es ja gar nicht um Sexus, also das Geschlecht der Personen, von denen die Rede ist.